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Grenzüberschreitende organisierte Kriminalität und Bandenkriminalität zwischen Südost- und Zentraleuropa

Vom 14. bis zum 18. September fand im IBZ Schloss Gimborn e.V. das erste deutsch / rumänische Seminar in der Schlossgeschichte statt. Das Seminar war eine gelungene Auftaktveranstaltung für das durch die IPA Sektion Rumänien geplante, langfristige Engagement im IBZ Schloss Gimborn e.V..

Ca. 40 IPA Freundinnen und Freunde aus Deutschland und Rumänien fanden ihren Weg in das Bergische Land. Das typisch bergische, eher regnerische Wetter hatte zum Seminarauftakt eine Pause eingelegt. Bei Sonnenschein und angenehmen Temperaturen konnten die Seminarteilnehmerinnen und –teilnehmer ihre ersten Eindrücke vom IBZ Schloss Gimborn e.V. sammeln.

Nach der Begrüßung durch den Seminarleiter Felix Schwarzer, führte er mit seiner Kollegin Uta Prenzel vom Polizeipräsidium Südhessen auch den inhaltlichen Auftakt. Anhand eines konkreten, vielschichtigen Fallbeispiels aus dem Bereich der Straßenprostitution veranschaulichten sie diverse Abläufe, welche bei deliktstypischen Ermittlungen zu beachten sind. Häufig ist die strikte Unterscheidung in Täter und Opfer wesentlich komplexer als zunächst ersichtlich. Durch kulturelle und ethnische Besonderheiten leben viele Beteiligte in einer emotionalen und physischen Zwangslage in der sie persönlich keine andere Möglichkeit sehen, als sich in ihre vorgegebene Rolle zu fügen.

Der Abend des ersten Seminartags wurde durch die rumänischen Gäste gestaltet. Mit traditionellen, hausgemachten Speisen und Getränken wurde die Seminarwoche eingeleitet und die noch junge Freundschaft unter den Seminarteilnehmerinnen und –teilnehmern gefestigt.

Der zweite Seminartag wurde durch den stellvertretenden Generalinspekteur der rumänische Polizei Vasile Viorel gestaltet. Durch seine exponierte Stellung innerhalb der rumänischen Polizei konnte er einen umfassenden Einblick in die Organisationsstruktur der verschiedenen nationalen und regionalen Polizeibehörden geben.

Das Phänomen der Bandenkriminalität und die tiefgreifende Beteiligung verschiedener Tätergruppierungen aus Rumänien wurden anhand praktischer Beispiele verdeutlicht. Unter anderem wurden die Struktur und verschiedene Einzeltaten einer Gruppierung beleuchtet, welche ihren Schwerpunkt in der Manipulation von Geldautomaten und bargeldlosen Zahlungsmitteln hatte. Die einzelnen Mitglieder der Gruppe wurden aus Rumänien gesteuert, verübten aber ihre Taten in Italien, Frankreich, England, Schweden, Deutschland und anderen EU-Staaten.

Vasile Viorel verdeutlichte durch die praktischen Fallbeispiele die Bedeutung der internationalen Zusammenarbeit der verschiedenen Polizeibehörden. Nur durch die gute Vernetzung verschiedener Institutionen konnte den verschiedenen Tätergruppierungen Einhalt geboten werden.

Dr. Florin Gherunda gab am Mittwoch einen Einblick in die Struktur und Vernetzung der mafiösen Strukturen Bulgariens.

Seit Ende der kommunistischen Ära wurden ca. 150 Personen mit Bezügen zu mafiösen bulgarischen Strukturen, aber auch kritische journalistische Stimmen ermordet. Diese Taten wurden allerdings nicht nur im Zuständigkeitsbereich der bulgarischen Behörden begangen. Die Tatorte erstreckten sich über Bulgarien, die Niederlande, Spanien bis hin in die karibischen Staaten.

In Großteilen der bulgarischen Bevölkerung sind sehr große Vorbehalte gegenüber staatliche Organen und Strukturen vorherrschend. Häufig werden mehr oder weniger deutliche Vernetzungen zu Gruppierungen aus dem Bereich der organisierten Kriminalität vermutet. Die Angst vor möglichen Repressalien aus dem staatlichen, aber auch aus kriminellen Bereichen ist weit verbreitet.

Im weiteren Verlauf ging Florin Gherunda auf verschiedene Maßnahmen der rumänischen Grenzpolizei gegen den organisierten Einfuhrschmuggel von Zigaretten und Drogen ein. Die vorgestellten Fallstudien zeigten spektakuläre Aufgriffe und Verstecke von Schmuggelwaren. So wurden Baumstämme ausgehöhlt und die Isolierung von Silageanhängern entfernt, um über 100.000 Zigarettenpackungen zu schmuggeln.

Die Exkursion der Seminargruppe führte uns zum Landeskriminalamt NRW nach Düsseldorf. LKA Thomas Jungbluth übernahm in seiner Funktion als Stellvertreter des Behördenleiters Uwe Jacob die Begrüßung der Seminarteilnehmerinnen und -teilnehmer. Er gab der Seminargruppe einen Überblick über die Behördenstruktur, sowie die Aufgabenschwerpunkte des LKA NRW und die aktuellen Herausforderungen, denen sich die Behörde stellen muss. Er betonte die sehr positiven Erfahrungen, welche im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit mit rumänischen Behörden seitens des LKA NRW gemacht wurden.

Peter El Samalouti gab in seinem Vortrag einen Einblick in die Arbeitsabläufe und mögliche Tatabläufe im Rahmen der Geldwäsche- und Finanzermittlungen. Durch praktische Beispiele wurden die zum Teil recht abstrakten Abläufe für jeden Teilnehmer verdeutlicht. Die unterschiedlichen Rechtsnormen und rechtlichen Befugnisse sorgten im Kreise der rumänischen Teilnehmer für rege Diskussionen.

Einen Einblick in die aktuelle Lage im Bereich der Bandenkriminalität mit Fokus auf die rumänischen Tätergruppierungen gab Thomas Lange. Die geringe Strafandrohung und Gefahr der Entdeckung für die Tätergruppen wurde durch ein Fallbeispiel greifbar. So war eine exemplarisch ausgewählte Tätergruppe über zwei Jahre mit mehr als 70 nachgewiesenen Taten aktiv und die einzige Freiheitsstrafe waren sechs Tage Ersatzhaft.

Über die Verfahrensweise bei Rechtshilfeersuchen und Erfahrungen in der internationalen Zusammenarbeit mit Behörden aus Rumänien, referierte Günter Kossak. Er betonte den problemlosen und professionellen Informationsaustausch und die dadurch erfolgreichen Ermittlungsverfahren. Die professionelle und kompetente Bearbeitung der Rechtshilfeersuchen war maßgeblich für die effektive internationale Polizeiarbeit.

Nach dem intensiven, offiziellen Vortragsprogramm, wurden die Seminarteilnehmerinnen und –teilnehmer von Karl-Heinz Hackenberg von der IPA Verbindungsstelle Düsseldorf in Empfang genommen. Nach einem kurzen Spaziergang durch die Altstadt Düsseldorfs, kehrte die Seminargruppe in dem traditionellen Altbierlokal „Zum Schlüssel“ ein. Besonders die rumänischen Gruppenmitglieder nutzten die kurze Freizeit, um einige Souvenirs und Andenken zu kaufen.

Der Donnerstag wurde durch einen Vortrag von Horia Covaci eingeleitet. Er gab einen Einblick in verschiedene Reiserouten von international agierenden Tätergruppierungen und ihre Herkunft in Rumänien. Seitens der rumänischen Behörden wurden regionale Vorzüge bzgl. der Zielländer der Tätergruppen festgestellt. So verüben Gruppierungen von der Schwarzmeerküste ihre Taten primär in Spanien, Frankreich und England, aber nicht in Deutschland.

Horia berichtete von seinen Erfahrungen aus einer Vielzahl von Unterstützungseinsätzen im europäischen Ausland. In der Regel seien sowohl die rumänischen Tätergruppierungen, als auch Opfer von Zwangsprostitution von der Anwesenheit eines rumänischen Polizeibeamten geschockt gewesen. Besonders die im Rotlichtmilieu aktiven rumänischen Staatsbürgerinnen und -bürger waren aufgrund ihrer kulturellen Wurzeln, welche eher konservativ sind, peinlich berührt ob der Präsenz eines rumänischen Offiziellen.

Im Verlaufe des Nachmittags wurde durch Rudolf Koenen (Polizeipräsidium Duisburg), unter dem Oberthema „Migration aus Rumänien nach Deutschland – das Beispiel Duisburg“, ein Eindruck in die verschiedenen polizeilich relevanten Themenbereiche gegeben. Durch den Referenten wurde die zeitliche Entwicklung seit dem Jahr 2011 nach der Feststellung des vermehrten Zuzugs von rumänischen und bulgarischen Staatsbürgern beschrieben.

Die entstehenden polizeilichen Herausforderungen veranschaulichte er unter anderem am Beispiel des Objektes „In den Peschen“. Hier waren zeitweise bis zu 1400 Personen mit rumänischer und bulgarischer Staatsbürgerschaft in einem Mehrfamilienhaus gemeldet. Das Objekt wurde als Arbeitsbasis für bundesweit, aber auch im europäischen Ausland begangene Straftaten genutzt. Auf der einen Seite wurden die strafrechtlich relevanten Taten bearbeitet, auf der andern Seite, wie auf die zunehmenden Politisierung der Probleme, reagiert wurde. Zur Bearbeitung der verschiedenen Sachverhalte wurde auch Unterstützung von der rumänischen Polizei vor Ort in Anspruch genommen.

Durch verschiedenste Maßnahmen wurde die ehemals in diesem Objekt ansässige Tätergruppe aus dem Stadtgebiet Duisburg vollständig verdrängt. Im April 2014 wurde die komplette Wohnanschrift „In den Peschen“ durch die Tätergruppierungen leer gezogen und steht seit diesem Zeitpunkt leer. Nichts desto trotz sind weiterhin ca. 60 Objekte mit überwiegend rumänisch / bulgarischer Mieterstruktur im Stadtgebiet bewohnt. Der Donnerstag abend wurde von den deutschen Seminarteilnehmerinnen und –teilnehmern zur Darreichung verschiedener regionaler Spezialitäten genutzt. So wurden Kassler, Sauerkraut, Kartoffelpüree, Weißwürste und Bretzeln zum Essen gereicht und als Getränke Apfelwein, Kölsch, Weizenbier und Obstbrand angeboten. Auf die während der Woche geschlossenen Kontakte und Freundschaften wurde ein letztes Mal angestoßen und gegenseitige Besuche in Aussicht gestellt. Am nächsten Morgen mussten einzelne rumänische Teilnehmer aus dienstlichen Gründen bereits um 6 Uhr ihre Heimreise antreten und so wurde die abendliche Zusammenkunft zum Abschiedsabend.

Der letzte Vortrag des Seminares wurde von Mircea Ghergita, Generalsekretär der IPA Sektion Rumänien, zu dem Thema „Informationsgewinnung und Datenauswertung zur Prävention sowie Ermittlung im Zusammenhang mit international agierenden, organisierten Tätergruppen“ gehalten. Er betonte die Bedeutung der internationalen, umfassenden Zusammenarbeit verschiedener Behörden, welche er an einigen Fallbeispielen verdeutlichte. Durch eine koordinierte, international abgestimmte Polizeiarbeit, könnten die Ermittlungen mit den besten Erfolgsaussichten eingeleitet werden. Der internationale Informationsaustausch sei hierbei essentiell.

Neben den fachlich kompetenten Referenten, mit verschiedensten, thematisch orientierten Referaten, trugen besonders der intensive Austausch über den theoretischen Lehrgangsanteil hinaus, zu dem erfolgreichen Abschluss des Seminars bei. Die sehr gelungene Auftaktveranstaltung wurde maßgeblich durch die jahrelangen persönlichen Kontakte von Marian Dorin Dumbrean von der IPA Sektion Rumänien zum IBZ Schloss Gimborn e.V. geprägt. Für mich war es erneut ein lohnenswerter Lehrgang, welcher neben der fachlichen Seite, auch auf sozialer Ebene Brücken gebaut und Wände eingerissen hat.

Autor: Philipp Kurz